Quelle: Originalaufzeichnung des Heimatortsbetreuer Herrn Franz Koberle, Bad Reichenhall; * 1916 in Hennersdorf
von Lorenz, Hennersdorf
Siehe auch: Heimatkunde des Hohenelber Bezirkes Reprintausgabe, Band
I
Unser letzter Pfarrer,
Dechant Ullwer, erzählte uns so manches mal folgende Legende von der Erbauung
unserer Pfarrkirche:
Als man die Pfarrkirche bauen wollte, hatte man dafür den Kapellenberg
ausersehen. Es war schon allerhand Baumaterial herangeschafft, so dass der Bau
hätte beginnen können. In der Nacht von einem Samstag zum Sonntag
aber soll dieses Material von dem Platze verschwunden sein und an der Straße
gelegen haben, wo unsere Pfarrkirche heute steht. Alle Nachforschungen im Orte,
wer sich den Scherz erlaubt haben könnte, blieben erfolglos. Man schaffte
also alles wieder hinauf zum Kapellenberg. Am nächsten Tag lag wieder alles
auf dem Platz an der Straße. Als sich dies noch ein drittes Mal wiederholte,
sahen die Hennersdorfer in den seltsamen Vorgängen allmählich eine
höhere Weisung und erbauten die Pfarrkirche dort, wo das Baumaterial zuletzt
abgelagert worden war. Auf dem Kapellenberg errichteten sie später eine
Kapelle zu Ehren der Vierzehn Nothelfer.
Die Pfarrkirche von Hennersdorf ist dem hl. Georg geweiht. Das Kirchenfest fällt also auf den 23. April, so dass es zumeist am dritten oder vierten Sonntag nach Ostern gefeiert wurde. Aus der ganzen Umgebung kamen nicht nur Hunderte, sondern viele Tausende Festgäste zur Hennersdorfer "Fohrt", im Volksmunde "Froschfohrt" genannt. Zahlreich waren die deutschen und tschechischen Händler aus der ganzen Umgebung, die hier ihre Buden aufstellten. Man zählte oft über hundert Buden. Kirchlich wurde das Fest immer sehr feierlich begangen.
Wie Silberfäden durchziehen die zahlreichen Bäche das Vorland des
Riesengebirges; sie bedingen die Fruchtbarkeit dieses Gebietes. Auf ihrem Wege
trieben sie viele Mühlen, die den braven und fleißigen Bauern das
Mehl für ihr tägliches Brot lieferten. Aus rasch fließenden
Bächlein wurden Bäche, die den Flüssen Aupa und Elbe zuströmten.
An diesen Wasserläufen waren Wassermänner zu Hause.
Das Winzerloch bei Hennersdorf hatte sich einer zum Wohnsitz gewählt. Das
Winzerloch war ein Tümpel, in dem einst ein Mann namens Vinz ertrunken
war. Als die Leute den Tümpel den zuschütten wollten, sahen sie dort
ein Männlein mit einem Wägelchen, das seinen Einzug halten wollte.
Auf dem Bretterwägelchen hatte es seine Sachen aufgeladen und oben drauf
hatte es sich selbst gesetzt. Er trug ein blaues Jäckchen, unter dem ein
geflicktes Wams hervorguckte. Grüne Hosen zierten die kurzen Beine und
den verschmitzten Kopf deckte ein rotes Käppchen. Mit der langen Weidenrute
konnte er den Lauf der Bäche hemmen oder auch beschleunigen, in Teichen
das Wasser teilen. Unstet war sein Leben: Bald sahen ihn die Mägde bei
der ersten Morgenröte, wenn sie im Bache Wasser schöpften oder wenn
sie im Teich die Wäsche schweiften. Einmal sahen sie den Wassermann, wie
er auf einem Steine saß und ganz kläglich schrie. ein Vorübergehender
hörte das Weinen, watete zu dem Steine und trug ihn ans Ufer. Vor seinen
Augen verschwand er und kehrte in das Winzerloch zurück. Gern saß
der Wassermann auf Stegen, die über die Bäche führten oder auf
steilen Ufern und sah dem Treiben der flinken Forellen zu.
Nicht immer trug er sein buntes Gewand, mitunter war er in ein graues oder schwarzes
Mäntelein gehüllt. Kam jemand in seine Nähe, sprang er sofort
ins Wasser, dass es nur so klatschte. Wer ihn in Ruhe ließ, hatte nichts
von ihm zu fürchten. Oft zog er aber Menschenkinder, die ihn ärgerten,
ins Wasser.
Beim Hennersdorfer Elbwehre baden die Kinder gerne. Als sich einmal einige Knaben im Wasser erfrischten, sahen sie ein kleines Männlein, das auf dem Wasser saß und ihnen beständig zuwinkte. Doch traute sich kein Kind hinzugehen, bis auf einen beherzten Jungen, den der Wassermann unter Wasser zog.
Einst sah ein Mann aus Hennersdorf, der seine Schwester in Großborowitz besucht hatte, am Rückweg auf der großen, steinernen Elbbrücke ein Männlein sitzen, das sich fortwährend umblickte und mit blauen Höschen, grünem Röckchen, rotem Käppchen und gleichen Stiefelchen bekleidet war. Als es den Mann erblickte, der eben grüßen wollte, lachte es und sprang ins Wasser.
An die Wirtschaft des "Busch
Seff" in Hennersdorf knüpft sich folgende Sage:
Busch Seff war Gemeindeältester, "Gemänälster", und
übte als solcher in seinem Haus, heute Nr. 143, den Schank aus. Bei Tanzmusiken
beteiligten sich auch die schönen Töchter des Wassermanns, die unweit
des Hauses bei der Brücke dem Wasser entstiegen. Die mit ihnen tanzenden
Burschen erkannten sie an dem nassen Saum ihrer Kleider. Einmal begleiteten
die Burschen die schönen Mädchen bis zum Wasser. Da zeigten sie auf
die im Wasser sich bildenden Perlen und sagten: "Wenn weiße Perlen
erscheinen, dann ist bei uns daheim alles in Ordnung und wir dürfen heim,
das Gegenteil aber, wenn rote Perlen emporsteigen".
Niemand hat aber Wassermanns reizende Töchter kommen und verschwinden sehen.
Eine Frau sah zweimal an derselben Stelle ein bläuliches Feuer aus der Erde quellen. Sie erzählte dies ihrem Mann, und der gab ihr den Rat, etwas Geweihtes in das Feuer zu werfen, falls sie es wieder sehe. Sie tat dies. Da spaltete sich die Erde auf, und sie erblickte einen großen Topf mit Geld. Das Weib hob den Topf heraus und beschloss, mit dem Fund nach Hause zu gehen. Sie drehte sich nicht um, denn sie hatte von alten Leuten gehört, dass das sehr gefährlich sei, wenn man einen Schatz gehoben habe. Wie sie so eine Weile gegangen war, hörte sie, dass hinter ihr etwas lachte, bald jammerte und bald wie ein Pferd wieherte. Sie ließ sich zunächst nicht davon beirren und ging gelassen ihres Weges. Als sie aber über die Türschwelle ihres Hauses treten wollte, kam es ihr vor, als läge hinter ihr ein totes Pferd. Da drehte sie sich um, und kaum hatte sie das getan, flog ihr der Topf von der Schulter weg und verschwand unter Heulen in der Erde.
Wenn am Karsamstag früh vor Sonnenaufgang die Bäuerin, die eine Hexe
ist, mit dem Butterfass in den Bach geht und sich darauf setzt, so hext sie
allen Bäuerinnen im Dorf, an die sie denkt, den Nutzen vom Vieh weg.
Hier ist ein Butterfass der Sitz einer Hexe. Auf dem Fass sitzend, reitet sie
in den Bach auf und ab. Ein Kinderreim geht darauf ein: "Abc, Schallamannla
d, Schallamannla Pott'rfoß, gieh ei die Schul on larn dort wos!"
Im Riesengebirge sagt man, wer ein am Barbaratage gebrochenes Kirschbaumreis blühend in die Weihnachtsmetten trägt, der sieht die Hexen. Man würde dann auch sehen, dass sie Melkkübel auf dem Haupte tragen.
Ein Ausgedinger aus Hennersdorf ging einst gegen Abend in den Wald, um Stöcke auszugraben. Schon wollte er, nachdem er längere Zeit gerodet hatte, seine Arbeit einstellen. Da erblickte er noch einen großen Stock; den wollte er nicht stehen lassen. Doch bevor er sich an die Arbeit machte, steckte er sich erst sein Pfeifchen an. Als er dann zu dem Stock gehen wollte, sah er einen Greis mit einem Bart und einer Holzmütze auf dem Haupte darauf sitzen. An der Schulter hing ein kleines Holzgewehr. Der Ausgedinger redete ihn an: "Freund, wie kommt ihr hierher?" Denn er hatte kein Geräusch vernommen und wusste sich nicht zu erklären, wie der Alte daher gekommen sei. Da sagte ihm dieser, dass er der Wilde Jäger sei. Zugleich schoss er auf den Ausgedinger und verschwand. Dem Ausgedinger schwanden die Sinne und er brach zusammen. Die Angehörigen, die ihn wegen seines langen Ausbleibens gesucht hatten, mussten ihn nach Hause fahren, wo er des anderen Tages verschied.
Im Hennersdorfer Kirchenwald ist ein alter Weg unter den Namen "Totenweg" allbekannt. Der Name soll noch aus jener Zeit herrühren, da Studenetz noch zur Herrschaft Forst gehörte, und nach Aussage der alten Leute die Leichen auf diesem Weg nach Forst getragen wurden.
Zwei Gesellen aus Hennersdorf arbeiteten
einmal in einem Hause. Der eine von den zweien ging in die Bethlehemhäuser,
die etwa zehn Minuten entfernt von Huttendorf auf einer Anhöhe liegen,
"auf die Heirat".
Sein Mitgeselle begleitete ihn, machte sich aber um Mitternacht allein auf den
Heimweg. Als er zum Bach kam, der zwischen Huttendorf und Hennersdorf dahinfließt,
sah er zwei Jäger auf sich zukommen. Ohne ein Wort zu sprechen, erfassten
ihn die beiden, jeder unter einem Arm, und trugen ihn über die Wälder
in den Lüften davon. Nach einiger Zeit ließen sie ihn wieder auf
den Boden. Das mochte eine Stunde gewährt haben, in der die beiden Unholde
fortwährend schossen. Als der Geselle sich wieder zu orientieren vermochte,
wurde ihm inne, dass er wenigstens drei Stunden von seinem Heimatort entfernt
war.
Eine andere Entführung oder wie man sich im Riesengebirge ausdrückt,
"Verführung", hat auch einmal ein Mann aus Proschwitz erlebt,
der nach Feierabend von Hohenelbe nach Hennersdorf aus der Arbeit ging und dabei
den "Hartabusch" passieren musste. Als er im Busche war, vernahm er
ein heftiges Hundegebell und Schießen. Anfänglich meinte er, es seien
Jäger im Wald. Das Jagdgetöse wurde aber immer heftiger, und bald
kam es ihm vor, als befände er sich inmitten kläffender Hunde. In
der Tat erblickte er auch einige. Sie waren schwarz und hatten glühende
Augen. Der Mann war verwegen genug, Verwünschungen über den tollen
Spuk auszusprechen. Da wurde er "verführt", so dass er erst bei
Anbruch des nächsten Tages seine Heimat wieder erreichen konnte.
In Hennersdorf lebte vor mehr als sechzig Jahren (um 1840) ein Mann, dem überall, wohin er kam, freiwillig Milch vorgesetzt wurde. Man wusste nämlich, dass er, wenn er keine erhielt, die Kühe verhexte. Er brauchte bloß eine Hacke in die Wand zu schlagen und schon konnte er dann die Kühe durch den Stiel des Werkzeugs ausmelken.
Unterhalb des Fejfarischen Berges in Hennersdorf ist ein kleiner Sumpf. Einst ritt an demselben ein Reiter vorbei, der, als das Pferd mit den Vorderbeinen einsank und nicht weiter konnte, zu fluchen begann. Kaum war dies geschehen, als er samt dem Ross versank.
An der von Hennersdorf nach Kalna führenden Straße ist eine morastige Stelle, der sog. "Pfaffenbrunnen". Den Platz überquerte einmal ein Salzbauer, dessen Fuhrwerk im aufgeweichten Grunde stecken blieb. Als alle Mühen, den Wagen wieder flott zu machen, vergeblich blieb, vergaß sich der Fuhrmann und stieß einen kräftigen Fluch aus. Dies war sein letztes Wort, denn gleichzeitig verschlang die Erde Mann, Ross und Wagen.
Unweit der ersten Ziegelei an der von Hennersdorf bei Hohenelbe dahinziehenden Straße ist ein kleiner Brunnen, der den Namen "Kaiserbrunnen" führt, weil an dieser Stelle einst Kaiser Josef II. (1765 1790) gerastet haben soll. Dort soll sich auch einmal ein preußisches Soldatenlager befunden haben.
Von den Hennersdorfer Weinbergen erzählt die Sage, dass dort beim "Pfaffenkreuz" Soldaten begraben worden seien.
An der Grenze zwischen Hennersdorf und Huttendorf steht hart an der Straße eine kleine Statue, die unter dem Namen "Die heilige Kümmernis" bekannt ist. Wie die alten Leute erzählen, soll sie einmal getanzt und dabei einen Schuh verloren haben. Deshalb fehlt der Figur ein Schuh.
Um den Hexen während der Zeit des Austreibens den Zutritt in den Stall zu verwehren, werden in Hennersdorf beim ersten Austrieb drei Rasenstückchen unter der Türschwelle des Stalles vergraben.
Mitte des 19. Jahrhundert lebte in Hennersdorf ein Mann, der war aus Hackelsdorf gebürtig. Sobald er zu einem Bauern kam, wurde ihm Milch gebracht; denn bekam er keine, so verhexte er die Kühe, dass sie statt Milch Blut gaben. Zur Hexerei bediente er sich immer einer Hacke, die er in die Wand schlug, worauf er durch den Stiel der Hacke die Kühe ausmelkte.
Von der Erbauung der Hennersdorfer Kirche berichtet die Sage, dass das Gotteshaus ursprünglich auf dem Kapellenberge erbaut werden sollte. Das dort abgeladene Baumaterial wurde jedoch nachts auf unerklärliche Weise an den heutigen Standort der Kirche getragen, worauf man sich einigte, die Kirche an ihrer jetzigen Stelle zu erbauen. Das Gleiche erzählt man von der Kalnaer und anderen Kirchen.
Als die Hennersdorfer Kirche gebaut wurde, trugen der Sage nach die Engel die große Glocke dreimal fort. Beim dritten male fiel sie ihnen herunter und versank tief in der Erde. Seitdem wandert sie unterirdisch weiter, indem sie sich jedes Jahr einmal umdreht und dabei an einer Seite anschlägt.
Vor vielen Jahren soll in der Hennersdorfer Kirche eine große Glocke gehangen sein, die später ungerechter Weise nach Starkenbach gebracht wurde. Bei einem Brand fiel sie herab und versank tief in der Erde. An jedem Palmsonntag, wenn die Passion in der Kirche gesungen wird, dreht sich die Glocke seitdem einmal um und wird, auf diese Art unter der Erde wandernd, einst nach Hennersdorf zurückgelangen. Sie soll sich gegenwärtig schon unweit der Kirche dieses Ortes unter einer Scheune befinden. Am Palmsonntag erklingt sie auch zuweilen. Sobald sie sich an die Oberfläche bei der Kirche emporgedreht hat, wird Hennersdorf ein Gnadenort werden.