Quelle: Originalaufzeichnung des Heimatortsbetreuer Herrn Franz Koberle, Bad Reichenhall; * 1916 in Hennersdorf

Die Geschichte der Ortsgemeinde Hennersdorf Kreis Hohenelbe

von Franz Koberle

3. Fortsetzung

Das gesellschaftliche Leben in der Gemeinde

Wie allgemein bekannt, verlief das gesellschaftliche Leben auf den Dörfern sehr bescheiden, fehlte es schon mal an geeigneten Räumlichkeiten, der Verdienst reichte gerade die notwendigsten Dinge im kinderreichen Haushalt zu bestreiten. In der Stadt Hohenelbe war es schon anders, hier gab es eine reiche, vermögende Schicht von Fabrikanten, Kaufleuten, Ärzten und höheren Beamten, die sich schon in den ehem. Monarchie-Städten Prag und Wien ein geselliges Leben leisten konnten oder längere Kuraufenthalte nahmen.

Hennersdorf beherbergte – mit wenigen Ausnahmen – eine bäuerliche Bevölkerung und eine ärmliche Arbeiterschicht, dazu Heimarbeiter in der Web- und Textilbranche. Im Jahre 1825 gab es in Hennersdorf 6 kleinere Gasthäuser teilweise mit einer Bäckerei oder einem Lebensmittelladen verbunden. Hier kam man meist zu den Wochenenden zusammen oder es wurde auch mal ein Hausball veranstaltet. Erst nach dem ersten Weltkrieg erweiterte die Familie Amler-Jäger den Gasthof zu einem Hotel mit angebautem schönen und großen Saal. Von da ab stand Hennersdorf mit dem Angebot der Tanzveranstaltungen für Jung und Alt im Mittelpunkt der umliegenden Gemeinden. Die anfangs installierte Radio- und Schallplatten-Tanzmusik im Hotel Jäger zog auch in den "Dreißiger Jahren" die Tschechen aus dem Hinterland an, dies brachte Spannungen, die wir als stramme Deutsche irgendwie ventilieren mussten. Oft musste die Polizei eingreifen d. h. wenn es zu Tätlichkeiten kam. Auf alle Fälle war mit dem schönen Saalbau geselliges Leben eingekehrt, es gab die verschiedensten Bälle, Theateraufführungen, die Räumlichkeiten dienten auch für die Vereine als Probe-Lokal usw.

In der Kreuzschänke etablierte sich ein Wirtsehepaar Gaberle und dann das beliebte Ehepaar Braun, die es sehr gut verstanden die Jugend zu Tanzveranstaltungen mit guten Kapellen anzulocken. Neben der Straße nach Hohenelbe entstand am Weißbach eine Pelztierfarm, die sich aber nicht halten konnte. Im Jahre 1932 übernahm das Anwesen die Familie Pauer aus Oberadersbach und schuf ein Ausflugslokal, die sog. "Fuchsfarm". Hier traf man sich mit der Jugend aus der Stadt Hohenelbe zu Tanzveranstaltungen, ja die Fuchsfarm war damals ein Begriff in der schönen Waldeinsamkeit.

Ein besonderes Ereignis im Jahresablauf war das St. Georg Kirchenfest im Monat April – die sog. "Hanerschdorfer Froschfort (Froschfohrt)". Oft war das Wetter noch recht kühl für die Schaukel aber dennoch sehr beliebt dieses Frühlingsfest bei der Kreisbevölkerung.

Mit der Eingliederung ins Reich ist alles anders geworden, das gesellige Leben wurde total zerstört, die Jugend in alle Winde verweht und teilw. untergegangen. So begann das Ende der prächtigen Dorfgemeinschaft. Wollen wir die schönen Erlebnisse in Erinnerung behalten und dem Herrgott danken für den guten Neubeginn.

Die intensiven Nachforschungen haben jetzt ergeben, dass unser allzufrüh verstorbener Ortsbetreuer Pepi Bielek sich Abzüge von Aufzeichnungen aus der Pfarrei Hennersdorf und Branna besorgt hatte d. h. mit Zustimmung der tschechischen Pfarrherren. Das handschriftliche Material stammt 100%ig von unserem langjährigen Dechant Albert Ullwer, der nebenbei auch die tschechische Sprache auch sehr gut beherrschte. Es sind oft Abhandlungen über das dörfliche Geschehen und das jeweilige Wetter und die Auswirkungen auf die Ernte. Natürlich sind auch alte Überlieferungen dabei die es ermöglichen, eine brauchbare Chronik zu fertigen. Die großformatigen Blätter werden später eingebunden und im Heimatmuseum in Marktoberdorf aufbewahrt.

Die letzten Aufzeichnungen von Dechant Albert Ullwer betrafen die Fluchtbewegung 1945 aus Schlesien nach Böhmen, teilw. haben in den Monaten Feber – März 1945 bis zu 1200 Menschen in Notquartieren in Hennersdorf übernachtet. Für die Bevölkerung war es ein schlimmes Erwachen, nachdem es hier keine Kriegseinwirkungen bisher gab. Am 08. April 1945 gab es kurz vor 8 Uhr abends eine fürchterliche Detonation, ein Munitionswaggon geriet in Brand und explodierte u. zw. auf der Höhe der Fa. Honemeyer. Dieses Geschehen zog sich über 2 Stunden hin, infolge des Luftdrucks wurden bei Honemeyer über 500 Fensterscheiben zertrümmert, bei Fiedlerbauer 65, Palouš 30 usw. Auch die Kirche, die Schule und das Pfarrhaus blieben nicht verschont. Über die letzten Wochen und Monate in der alten Heimat wird noch gesondert berichtet.

Hennersdorf besitzt nach einem Gemeinderatsbeschluss seit 1925 ein Gemeindesiegel mit dem hl. Georg auf einem weißen Schimmel und darüber im Kreise die Henne als Wappentier. Ich will versuchen, eine verkleinerte Rosette zu fertigen. Die Originalausfertigung mit Gemeinderatsbeschluss und der dazugehörigen Hymne an die Bevölkerung wird vielleicht im Jahre 2000 in Marktoberdorf zu sehen sein.

Wenn ich nun die 80 Jahre zurückblicke, so befindet sich unser Heimatort in einem tiefen Schlaf. Eine Zukunft ist nicht zu erkennen, d. h., wenn man westliche Maßstäbe anlegt. Ein Teil der Häuser und Gehöfte verfallen, die ersten Ansiedler indessen abgewandert, keine zentrale Wasserversorgung und keine Abwasser- oder Kläranlagen. Erst jetzt ist man dabei, in der Elbeau – oberhalb des Dix-Wehres – eine biologische Kläranlage für mehrere Gemeinden zu bauen. Die Dorfwege sind in einem jämmerlichen Zustand. Wie soll da eine Infrastruktur für Industrieansiedlung entstehen.

Lassen wir uns nicht von einigen Fremdenverkehrsorten täuschen, das breite Land ist untauglich, in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft aufgenommen zu werden. Die Wirtschaft geht zurück, dies bestätigen mir beste Kenner. Ich habe mich an einer Buchveröffentlichung beteiligt, die lautet "Bauern, Förster und Gärtner schufen dieses blühende Land". Wie schaut das breite Land aus, besonders unsere früheren Siedlungsgebiete? Dies muss man den Tschechen immer wieder vor Augen führen, da schrecke ich nicht zurück.


Abschließender Beitrag zur Kurzfassung der Chronik von Hennersdorf, Kreis Hohenelbe

Das Kriegsende 1945: Mir war es nach glücklichen Umständen gelungen, als Wehrmachtsangehöriger am Tage der Kapitulation 1945 mit den Kameraden Wendelin Schorm aus Huttendorf und Kameraden Peter Rotter aus Niederlangenau die heimatlichen Gefilde zu erreichen. Eigentlich ohne einer Vorahnung, was uns da im Heimatort erwartet, so konnten wir den erschütternden Rückmarsch der Truppen mit den unmenschlichen Übergriffen von jungen Tschechen beobachten. Erst da war uns klar, was diesen gejagten, ausgemergelten Soldaten und Flüchtlingen auf dem Weg durch das Protektorat noch erwartet. Im Graf Harrach'schen Wald zwischen Hennersdorf, Huttendorf und Martinitz hörte man tagelang Gewehrfeuer und Sprengungen. Unzählige Menschen wurden erschossen und in Massengräbern verscharrt. Nichts hat man noch erfahren, dies ist einfach das Schicksal der Vermissten. Als ehemaliger Soldat mussten wir uns in den letzten Winkel verkriechen, d. h. bis die Anordnung kam, sich in Hohenelbe beim Wehrkommando zu melden und in einem Fußmarsch von Hohenelbe über Reichenberg - Friedland - Görlitz nach Lauban in Schlesien interniert zu werden. Es war nichts anderes, als ein russisches Hunger-KZ. Dennoch, es war ein Stück Gemeinsamkeit so vieler Kameraden aus dem Kreis Hohenelbe. Baumeister Hütter war unser Lager-Batallionsführer und so haben wir ganze 3 Monate Pläne geschmiedet aus dem Ghetto zu entkommen. Im August 1945 war es dann soweit, mit dem Entlassungsschein in der Tasche ging es in schwieriger Mission über zwei bestbewachte Grenzen über den Riesengebirgskamm nach Hohenelbe. In Niederhof beobachteten wir aus dem Versteck die Vertreibung der Bevölkerung, was wird uns wohl noch erwarten? Das weitere Schicksal verlief bei jedem anders. Einige wanderten abermals ins Gefängnis, mir gelang eine Anstellung beim Forstamt in Spindlermühle, später Hohenelbe. Zwischenzeitlich hatte sich das Leben der deutschen Bevölkerung grundlegend geändert. Ein Teil der Deutschen war bereits im Herbst 1945 nach Deutschland abgeschoben worden, Parteifunktionäre waren eingesperrt und wurden gemartert oder erschlagen, es herrschte Hungersnot und eine nie dagewesene Verwilderung der Peiniger. Im Frühjahr 1946 kam ich mit meiner Familie glücklich nach Bayern und ins schöne Berchtesgadener Landl, nach Bad Reichenhall.

Unser Dechant und bischöflicher Konsistorialrat Adalbert Ullwer hat den Zusammenbruch des Reiches vortrefflich geschildert und auch zu Papier gebracht. Dem Dritten Reich stand er sehr skeptisch gegenüber. Die Aufzeichnungen werde ich in Marktoberdorf zur Einsicht bereitstellen.

Unser hochverehrter Priester hätte sich einen besseren Tod verdient. In das Gebiet der ehem. DDR vertrieben, starb der hochbetagte Mann buchstäblich an Hunger. Wir sind unserem guten Hirten zu tiefem Dank verpflichtet, die umfangreichen Aufzeichnungen werden von Bedeutung sein. In diesem Zusammenhang möchte ich meinem am 26.05.1973 in Scheidegg verstorbenen Onkel Adalbert Franz für die noch immer verlässliche Kartei der Dorfbewohner, geordnet nach den Hausnummern, sehr herzlich danken. Außerdem hat er uns einen selbstgezeichneten Katasterplan von Hennersdorf hinterlassen, der im Heimatmuseum aufliegt. Nicht zuletzt ein Dankeschön unserem Ortsbetreuer Pepi Bielek, der uns 1998 für immer verlassen hat. Sein intensives Wirken für die Gemeinde wird "unvergessen" bleiben.

Die Kurzfassung der Gemeinde-Chronik wird in einer Mappe eingebunden und dann Interessen ausgehändigt. Natürlich ist die Redaktion der Riesengebirgszeitung für weitere Beiträge immer dankbar. Unsere Zeit geht zu Ende, helfen Sie mit, dies ist mein Wunsch.

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